Regula Stämpfli / Quelle: news.ch / Mittwoch, 9. November 2011 / 09:18 h
Wäre Christoph Blocher 2007 Bundesrat geblieben, die SVP hätte 2011 sicherlich die 30 Prozentquote erreicht. Selbst wenn die SVP mit ihrem unglaubwürdigen Hochfrankenkurs in diesem Jahr zunächst viele Gewerbetreibende verscheucht hat - mit zwei Bundesräten in der Regierung wäre die SVP nie so abgestürzt wie am 23. Oktober.
Die Nicht-SVP-Parteien werden sich im Hinblick auf die Bundesratswahlen im Dezember also genau überlegen müssen, welche Strategie sie fahren. Dies nicht nur hinsichtlich der Themen - so ist für die SP der Atomausstieg das schlagende Argument für Widmer-Schlumpf - sondern hinsichtlich der Personen.
Die Schweizer Regierung hat vier schwierige Jahre hinter sich. Nach dem SVP-Wahlerfolg von 2007, der völlig unschweizerisch einer konservativen Revolution so viele Stimmen gab wie noch kaum zuvor, drohte die Konkordanzregierung unter der Führung von Christoph Blocher auseinanderzubrechen. Der Milliardär und Unternehmer, geeicht durch jahrzehntelange Erfahrung mit Macht, Geld und Personen, hatte es seit 2003 geschafft, die Regierungskommunikation, die SVP-Themen, die Deutungshoheit in allen Politgeschäften zu definieren.
Viele vergessen, wie mächtig der alt-Bundesrat Blocher tatsächlich war. Nicht nur aufgrund seiner charismatischen Persönlichkeit, die seit seiner Abwahl sichtbar gelitten hat, sondern auch aufgrund seines clever gespannten Zürcher-SVP-Politnetzes, das meisterlich verstand, die Medien für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Es war der für die Schweiz wichtigste Entscheid der Nicht-SVP-Parteien 2007, den wortführenden Rechtspopulisten, dem in punkto autoritärer Führung und Dominanz viel zuzutrauen ist, aus der Regierung zu katapultieren.
Denn mit einem Schlag fiel das SVP-Fenster der Exekutive, der Beweis, dass radikale SVP-Exponenten tatsächlich regieren können, wenn sie denn dürfen, weg. Die Wahl von Ueli Maurer war für die SVP ein Trostplaster, doch sie zeigte den eigenen Parteileuten nur, dass die Partei tatsächlich ein grosses Problem mit regierungsfähigem Personal hat. Die SVP hat farbige, clevere und volksnah argumentierende Ideologen in ihren Reihen, doch kluge Manager (obwohl dies mittlerweile wie ein Antagonismus klingt, doch es gibt sie durchaus), besonnene Koalitionsschmiederinnen, taktisch geschickte Exekutivpolitiker, fehlen.
Masse macht eben noch nicht Macht.
Eine Schweizer Regierung ohne zwei SVP-Sitze, aber mit bürgerlicher Mehrheit - kein Mensch sieht in Evelyn Widmer-Schlumpf eine Linke, ausser rechtsverblendeten SVP-Ideologen - würde alle anderen Parteien stärken. Das weiss die SVP genau und bietet deshalb so ein verzweifeltes Bild, wenn es um die nächsten Bundesratswahlen geht. Bleibt nach wie vor nur ein Ueli Maurer in der Schweizer Regierung, die ihre Sache im Vergleich zu den anderen, katastrophal agierenden europäischen Regierungen, ausserordentlich gut macht, bleibt auch allen klar, dass die SVP zwar Wahlen gewinnen, aber keine Staatsmänner stellen kann.
Der Papst und sein erster Kurienkardinal: SVP-Führer Blocher und Brunner auf der Suche nach einem valablen BR-Kandidaten. /


Sowohl die Nicht-SVP-Parteien als auch die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler, die sich mit grosser Regelmässigkeit gegen exponierte SVP-Regierungsräte und gegen SVP-Ständeräte aussprechen, zeigen ihren Widerstand gegen SVP-Exekutivposten. Die radikale Oppositionspartei mit Führungsanspruch verfügt nun wirklich nicht über geeignetes Regierungspersonal. Selbst SVP-Wählern kommt die Idee, dass gewisse SVP-Exponenten tatsächlich einen Exekutivposten einnehmen könnten, etwas unappetitlich vor.
Das weiss auch die SVP-Führung. «Ein Papst, einige eilfertige Kurienkardinäle und viele, viele Gläubige» (Originalton Weltwoche) reichen eben nicht aus, um alle Nicht-Katholiken zum richtigen Glauben zu bekehren. Dafür eignen sich im Moment profilmässig eher die knallharten Machtfrauen, die es gewohnt sind, taktisch zu verharren, stark zu verwalten, ohne Emotionen zu kalkulieren und alles zu tun, um zu bewahren statt zu gestalten. Das Merkel-Syndrom zeigt sich eben auch ausserhalb von Deutschland.
Die Bundesratswahlen vom 14. Dezember sind also rein rational schon gelaufen. Die SVP will einen zweiten Sitz, hat aber keinen Mann, um diesen auch zu besetzen. Der geeigneste Kandidat Peter Spuhler hat mit gutem Grund abgesagt. Er wäre auch wahnsinnig, wenn er eine Karriere wie die seine, ein Leben wie das seine, für den undankbaren Job eines SVP-Bundesrates aufgeben würde. Als Unternehmer hat er eh eine starke Definitions- und Lobbymacht in der Politik, die ihm als Bundesrat dann sicher fehlen würde.
Deshalb bleibt das Geschrei der SVP um zwei Bundesratssitze eigentlich Makulatur. Es sei denn, es kömmt alles anders als rational. Doch dann haben wir die Bescherung. Denn so wie die Finanz- und Wirtschaftskrise Europa erschüttert, braucht die Schweiz nichts anderes als Stabilität. Und wenn schon ich dies - als normalerweise Veränderungswütige - so nüchtern feststellen muss, dann tut dies die Mehrheit des schweizerischen Parlaments erst recht.