Schon fast demütig kommentierten die englischen Beteiligten ihren ersten Gruppensieg seit der EM 1996 im eigenen Land. «Um an einem Turnier erfolgreich sein zu können, braucht man auch Glück», fasste Steven Gerrard den Abend in Donezk zusammen. Der Captain meinte das vom Torrichter übersehene 1:1 der Ukrainer. Nicht nur der «Skipper» gab sich bescheiden, auch die übrigen englischen Spieler posaunten keine Viertelfinal-Ansagen.
Alles wirkt nüchtern
Für die Regenbogen-Presse passiert wenig Aussergewöhnliches. Aus dem gut temperierten englischen Quartier dringen keine heissen Storys nach aussen. Über Roy Hodgson macht sich inzwischen niemand mehr lustig. Sein Sprachfehler ist auch für «The Sun» kein Thema mehr - ebenso wenig seine Butlerfrisur. In erster Linie sind nun die sportlichen Zahlen von Interesse und nicht die Shopping-Touren der weiblichen Entourage.
Hodgson wirkt zwar nie unterkühlt, aber mit Bestimmtheit sachlicher und zielorientierter als viele seiner mondänen Vorgänger. Alles wirkt etwas entschlackter und weniger pompös - oder schlicht nüchtern. Unaufgeregt traten die «Three Lions» auch auf dem Rasen auf.
Roy Hodgson bedankt sich bei Wayne Rooney, der das entscheidende Tor erzielte. /


Ohne restlos zu überzeugen, erspielten sie sich souverän den Gruppensieg vor Frankreich.
Zweckgebundene Arbeit
Obschon England im unmittelbaren Vorfeld der EM so viele Forfaits wie keine andere Equipe zu verkraften hatte, breitete sich intern keine Panik aus. Hodgson liess sich von der medialen Nervosität nicht beeinflussen. Er blieb ruhig und vermittelte dem Team innerhalb von wenigen Wochen hilfreiche Strukturen. Die Ratschläge, von seinem «antiquierten» 4-4-2-System abzurücken, perlten am pragmatischen Londoner ab.
Die erfolgreiche Vorrunde sei das Ergebnis von «endlosen Drills auf dem Trainingsplatz», stellte der BBC-Analytiker Ben Smith in seinem Leitartikel auf der Online-Plattform fest. Das Team habe unter der akribischen Leitung von Hodgson offensichtlich begriffen, solidarisch und zweckgebunden zu arbeiten. Nur so seien die technischen Defizite gegenüber den Titelanwärtern wettzumachen.
Rooneys Rückkehr
«Keiner unserer Gruppe wollte heute das Flugzeug besteigen», lächelte Hodgson nach dem hart erkämpften 1:0 gegen den EM-Gastgeber. Seine Bilanz von vier Siegen und einem Remis will er am Sonntag gegen Italien weiter vergolden. Es existieren positive Indizien, wonach ausgerechnet er das englische Loser-Image abstreifen könnte. Der mediale Wind jedenfalls hat gedreht: «Das Glück trägt Weiss.»
Eng verknüpft ist das Comeback Englands mit der Rückkehr von Wayne Rooney. Er beendete seine Sperre mit dem entscheidenden Kopfballtreffer. Der so oft sagenhafte ManU-Stürmer, der sich immer wieder selber stoppt, hat viel vor - zumal seine bisherige Viertelfinal-Story eher suboptimal verlaufen ist: 2004 erlitt er einen Fussbruch, an der WM 2006 sah «Wazza» Rot.