Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Montag, 4. März 2013 / 13:42 h
Die Konsternation auf manchen Twitter-Postings war denn auch mehr als nur dezent. Es fühlten sich wenige Leute von «Hinterwäldlern» und «Provinzlern» überstimmt und die Demokratie ad absurdum geführt. Nicht zum ersten Mal wurde die Abschaffung des Ständemehrs gefordert - ein Wunsch, der unweigerlich ... am Ständemehr scheitern würde.
Doch das Ständemehr ist mehr als nur ein Ärgernis für so manche Stimmbürger. Der Blogger Philippe Wampfler führte sehr besonnen aus, dass es eben ein Schutz für Minderheiten sei, der verhindere, dass diese einfach von der Mehrheit dominiert werden. Das Ständemehr ist vermutlich ein entscheidender Mechanismus gewesen, der die Schweiz nach 1848 davor bewahrte, zu zerfallen. Aber, so stellte er auch fest, sei die Definition der Stände zum Problem geworden.
Die Entwicklung der Wohnbevölkerung in der Schweiz hat in den letzten 100 Jahren zu absurden Schräglagen geführt. So ist, auf die Ständestimmen gerechnet, die Stimme eines Appenzell Innerrhoders unterdessen so viel Wert wie jene von 11 Basel Städtern, 14 Genfern, 19 Aargauern oder gar 43 Zürchern.
Nun wäre es nett, wenn dieses Verhältnis auf irgend eine Weise auf ein Minimum von, sagen wir 1 zu 10 gebracht würde. Eine einfach Methode wäre es natürlich, die ganzen Innerschweizer Kleinkantone (UR, SZ, OW, NW, ZG, GL), deren Grenzen noch dem mittelalterlichen Machtgefüge Zentraleuropas geschuldet sind, kurzerhand zu vereinen und einen Kanton Zentralschweiz zu erklären. Schaffhausen und der Thurgau würden zum Kanton Bodensee, St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden zum Kanton Ostschweiz und der Jura mit Neuenburg zusammen zum Kanton Nouvel Jura. Und Innerrhoden? Das würde dem Vatikan als Entsorgungsgebiet für ausgediente Päpste und ausrangierte Priester angetragen.
Doch diese Idee ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt: niemand gibt freiwillig Macht ab und lässt sich gar «zusammenlegen». Wenn man also kleine Kantone nicht zusammenlegen kann, müssen sich eben die grossen Kantone zerlegen.
Ein Innerrhoder hat bei den Ständen mehr Gewicht als 43 Zürcher... ist das noch demokratisch? /


Wenn der Jura mit 70'000 Einwohnern 2 Ständeräte hat, warum also nicht ein Kanton Zürich Stadt? Dazu gäbe es noch Zürich Agglo, Zürich Land und Wintherthur. Selbst mit 8 Ständeräten wäre eine Zürcher Stimme immer noch über 8 mal weniger Ständestimmen wert als jene eines Glarners. Die Minderheiten wären auch in so einem Fall noch geschützt. Natürlich liesse sich nicht nur Zürich zerlegen. Auch Bern und die Waadt wären gute Kandidaten. Ausserdem sollten sich die Basler endlich von jeglichen Wiedervereinigungsplänen verabschieden und darauf drängen, endlich zwei vollwertige Kantone zu sein. Demokratie-Technisch gibt es KEINEN Grund, warum ein Basellandschaftler nur halb so viel wert sein sollte wie ein Bündner.
Natürlich hätte eine solche Kantonsteilete einiges an absurden Auswirkungen. Aber seien wir ehrlich: Absurder als die der Kleinkanton-Folklore könnte auch das nicht werden. Einzig die zusätzlichen Sitzplätze im Ständeratssaal wären bei 40 Kantonen oder so vermutlich nur schwer unter zu bringen
Doch mit grösster Wahrscheinlichkeit würde sich auch in Zürich keine Mehrheit für die Aufteilung des Kantons (ein Schritt, der ja auch Gesamtschweizerisch angenommen werden müsste) finden. So wird es in der Schweiz beim Status Quo bleiben, bei dem eine klare Minderheit in der Lage ist, der grossen Mehrheit ihren demokratisch geäusserten Willen zu blockieren.
Der Schutz der Minderheiten ist lobenswert und notwendig. Diesen aber mit einem Faktor von - im extremsten Fall - über vierzig zu bewerkstelligen, ist übertrieben und am Ende für die Demokratie ungesund. Es muss wieder ein vernünftiges Verhältnis gefunden werden. Einzig: Der Weg zu mehr Ständen für mehr Fairness wird auf weiteres genau so blockiert sein, wie jener zu einer Vereinigung verschiedener Kleinkantone. Die Ungerechtigkeit dürfte somit zementiert bleiben und zwar auf Jahrzehnte hinaus. Die Profiteure sollten sich einmal kurz fragen, wie gut dies der Demokratie wohl tut und ob es nicht auch in ihrem Interesse wäre, was dagegen zu tun.