Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Dienstag, 14. Januar 2014 / 12:21 h
Hitzlspergers Coming Out fällt just in die Zeit, in der der neue Lehrplan von Baden-Württemberg diskutiert wird, denn dort sollen auch andere Formen des Zusammenlebens wie das heterosexuelle als normal dargestellt werden, in etwa im Stile: Es ist egal, wer mit wem, solange die Beteiligten mit dem Arrangement glücklich sind.
Unglücklich damit sind natürlich die Kirchen, Bischöfe und christliche Altpolitiker, wie der notorische Renten-Lügner Norbert Blüm, der kein Problem hatte, eine ganze Nation anzuflunkern (die Renten sind sicher!), aber sehr wohl ein Problem damit, wenn Menschen nicht nach dem «Naturgesetz» zusammen leben.
Dieses «Naturgesetz», mit dem auch Sklaverei, Todesstrafe, Rassismus und Sexismus begründet wurde und wird, wurde auch vom Papst a.D. Benedikt XVI seinerzeit, als er noch aktiv die Welt verdarb, propagiert. Es besagt eigentlich, dass das, was für die meisten Normalfall ist, auch gefälligst für alle anderen zu gelten hat. Selbst wenn all jenen, die darauf bestehen, kein Schaden entsteht.
Dieses hasserfüllte Elend lässt sich auf das 3. Buch Moses, Kapitel 18 zurückführen, wo, neben dem Inzest, dem (selbstverständlich männlichen) Leser verboten wird, bei einem Knaben zu liegen. Von Männern steht dort allerdings nichts. Und Frauen wird (wie auch Männern) lediglich die Sodomie verboten. Doch da Frauen ohnehin knapp über dem Vieh standen, in jener Zeit, kann es nicht verwundern, wenn diese nicht als Subjekt sondern lediglich als Objekt erwähnt werden.
Auch nicht zu vergessen: Sex mit der Ehefrau während ihrer Periode ist auf der gleichen Stufe anzusiedeln und ebenfalls ein Greuel.
Soweit, so spassig und logisch, dass sich Bischöfe da erregen, wenn plötzlich ein gestandenes Mannsbild es sich erlaubt zu verkünden, dass er eben anders tickt als damals in der Wüste unter Nomadenstämmen vorgeschrieben. Und dass Hitzlsperger das sagt, ist auch gut so, denn schon im Kapitel danach finden sich einige merkwürdige Vorschriften.
Thomas Hitzlsperger: Trotz bronzezeitlichen Vorschriften. /


So ist es zum Beispiel verboten, Vieh mit anderen Tieren auf die Weide zu lassen, Felder mit unterschiedlichen Samen zu besähen und vor allem, Kleidung aus verschiedenem Gewebe (konkret Wolle und Leinen) zu tragen. Leider steht nicht, ob das auch für Baumwolle und Elastan gilt. Ausserdem solle man den Bart nicht abschneiden und sich gegenüber Fremden anständig verhalten.
Diese Gesetze waren offensichtlich Resultate jener Zeit und den damaligen Stammesstrukturen und haben durch eine Serie absurder Zufälle ihren Einfluss immer noch bewahrt, indem sie drei Weltreligionen mit Homophobie injizierten und so auch die von diesen geprägten Gesellschaften durchdrangen.
Doch Homophobie ist nur eines der vielfältigen Erben aus jener Zeit, wie schon oben angetönt wurde, wobei speziell die Frauenfeindlichkeit kein Alleinstellungsmerkmal mosaischer Religionen ist.
Fragt sich nur, was dieser ganze Mist bei uns in der heutigen Gesellschaft zu suchen hat. Homophobie und Sexismus widersprechen dem, was wir wissen können und machen sollten. Mit der Unterstellung der Abartigkeit und der Sünde (nach welcher Logik am Sonntag arbeitende Personen Sünder sind) oder der Minderwertigkeit kann eigentlich nur ein Ziel verfolgt werden: Eigene Unsicherheiten und Defizite zu kompensieren. Wer von sich nichts hält, muss jemand anderen erniedrigen um sich besser zu fühlen, um sein Ego ein wenig zu polstern. Wer in seinem tiefsten Inneren verunsichert und verwirrt ist, definiert anhand von jemandem, der ganz sicher nicht so wie er ist.
Und über der ganzen Diskussion schwebt nun noch die Absurdistan-WM 2022 in Katar, die offensichtlich nur dorthin vergeben wurde, weil gewisse Petro-Dollars das Hirn der Fifa-Delegierten benebelt haben: Ein Klima, das im Sommer nur Nacht-Spiele zulassen würde, ein Regime dass auf Menschenrechte defäkiert und ein Fifa-Boss, der den Aktiven und Fans empfiehlt, während der WM - bei «falscher» sexueller Orientierung - doch bitte enthaltsam zu sein, aus Respekt gegenüber den Gastgebern. Und in Russland - dem baldigen Olympiagastgeberland - fordert die orthodoxe Kirche doch allen Ernstes ein Gesetz gegen Homosexualität, denn Diskriminierung reicht offenbar nicht.
Die fast hysterische Reaktion auf Hitzlspergers Statement deutet darauf hin, dass der Inhalt vieler hiesiger Köpfe durchaus von Wüstensand oder sibirischem Permafrost angegriffen worden sein könnte. Dabei ist es doch ganz einfach: Wer mit der Art sein Leben zu führen weder der Gesellschaft, anderen Menschen noch seinem Partner vorsätzlich Schaden zufügt, der darf dieses Leben auch so führen, mit allen Rechten und Pflichten eines Staatsbürgers. Dies ist das Zeichen einer echten Zivilgesellschaft, in der zwar jeder glauben darf, was er will, aber die Grenze, seinen Lebensstil (auch wenn er diesen «göttlich» legitimiert sieht) anderen aufzudrücken, auf schlichte Argumentation diesseits jeden Drucks und jeder Gewaltanwendung gesetzt bekommt. Vor allem, wenn diese auf bronzezeitlichen Stammesgesetzen beruht.
Und wer es doch nicht lassen kann, sollte mit gleicher Energie gegen jene kämpfen, die gleichzeitig Leinenhemden und Wollhosen tragen und sich dazu sauber rasieren...