Krebs ist vielfältig. Einige Tumore wachsen langsam oder bleiben in einem frühen Stadium, während andere sich zu einer lebensbedrohlichen Form entwickeln. Beispiele sind das Prostatakarzinom bei Männern und das
duktale Carcinoma in situ (DCIS), eine Vorstufe von Brustkrebs bei Frauen. Etwa 30 bis 50 Prozent der Fälle von DCIS entwickeln sich zu einem invasiven Mammakarzinom. Da DCIS gut behandelbar ist, wird in der Regel eine Therapie empfohlen. Bisher fehlen Ärzten jedoch verlässliche Hinweise, um zu entscheiden, welcher Tumor harmlos bleibt oder sich zu einem
invasiven duktales Karzinom (IDC) entwickelt.
Diese Wissenslücke bei der Typisierung von Brustkrebs war der Auslöser für eine neue Studie unter der Leitung von
G.V. Shivashankar vom PSI und
Caroline Uhler vom MIT. Die Forschenden haben eine Bildanalyse entwickelt, die mithilfe von künstlicher Intelligenz das Krankheitsstadium genau bestimmen kann. «Unsere Arbeit bietet einen innovativen Ansatz zur Identifizierung des DCIS-Stadiums anhand von Bildern, die die Verpackung der DNA in jeder Zelle zeigen. Die Datenerhebung dafür ist einfach und kostengünstig», erklärt Shivashankar.
Frauen stehen vor Unsicherheiten bei der Entscheidung über ihre Therapie
Etwa 25 Prozent der Brustkrebsdiagnosen sind DCIS. Bei Patientinnen sind die Zellen, die die Milchgänge auskleiden, verändert im Vergleich zu gesundem Gewebe, oft mit Mikrokalkablagerungen. Die Behandlung kann aus Bestrahlung, Hormontherapie oder Operation bestehen.
G.V. Shivashankar entwickelt derzeit am PSI verschiedene Verfahren zur Diagnose und Prognose von Krebs. /


Ärzte nutzen das Grading, um eine Prognose zu erstellen und eine passende Therapie zu wählen. Sie klassifizieren den Grad der Veränderungen und teilen ihren Befund in sieben verschiedene Stufen ein. Diese beschreiben beispielsweise die Grösse des DCIS, das Aussehen der Zellkerne, ob es zu Wachstum gekommen ist, ob die Zellen in benachbartes Gewebe eingewachsen sind, sich in Lymph- oder Blutzellen ausgebreitet haben oder dabei sind, Metastasen zu bilden.
Der Weg von DCIS zu einer bedrohlichen Form von IDC ist nicht vorherbestimmt - 50 bis 70 Prozent der Fälle bleiben harmlos. Doch welche? Forscher verfolgen verschiedene Ansätze, um Prognosen genauer zu machen. Dazu gehört aufwendige Bildtechnik, um Indikatoren für das Risiko einer Frühform zu ermitteln. Ein anderer Ansatz sind umfangreiche Transkriptomanalysen. Die Sequenzierung soll erfassen, welche Gene zu einem bestimmten Zeitpunkt in den verdächtigen Zellen aktiv sind. Diese Herangehensweisen sind jedoch bisher nicht im klinischen Alltag erprobt und kaum praktikabel, da sie zu aufwendig und teuer sind. Für betroffene Frauen bleibt die Unsicherheit bei der Therapieentscheidung, da sie vor einer möglicherweise unnötigen Behandlung stehen, die auch das Risiko von Nebenwirkungen birgt.
Die Anwendung von künstlicher Intelligenz (KI) kann das Staging von DCIS durch die Verwendung von kostengünstigen und einfach zu beschaffenden Daten verbessern, wie eine neue Studie zeigt. Ein Team von Forschern um Shivashankar und Uhler trainierte einen lernenden Algorithmus mit 560 Gewebeproben von 122 Patientinnen, die mit dem Farbstoff DAPI behandelt wurden, um das Chromatin im Zellkern sichtbar zu machen. Chromatin besteht aus DNA und Proteinen und gibt Aufschluss über die Organisation und Aktivität der enthaltenen DNA.
Das KI-Modell identifizierte nach dem Training Muster in den Gewebeschnitten, die mit den Unterschieden übereinstimmten, die von menschlichen Pathologen festgestellt wurden. Die Forscher betonen, dass diese Methode genügend Informationen liefert, um den Übergang von DCIS zu IDC genau vorherzusagen. Obwohl sie grosses Potenzial für diese Art der Tumoreinstufung sehen, sind weitere Studien notwendig, um die Zuverlässigkeit und Sicherheit des Ansatzes zu bestätigen.