von Patrik Etschmayer / Montag, 30. November 2009
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Die einen schämen sich schon öffentlich auf Facebook, für etwas, dass sie nicht getan haben, andere reiben sich die Augen und fragen sich, wie das hat passieren können, und dann gibt es natürlich auch noch die, welche versuchen, das Abstimmungsresultat der Minarettinitiative zu relativieren.
Da wird darauf hingewiesen, dass es aufgrund der klar auf ein anderes Resultat deutenden Umfragen (das Versagen des GfS kann man nur als katastrophal bezeichnen) den Befürwortern gelang, alle Reserven zu mobilisieren, während die Gegner der Initiative sich auf sicherem Grund wähnten und zu Hause blieben, respektive ihr Couvert nicht einwarfen. Zudem habe es aufgrund derselben Umfragen wohl manchen gegeben, der eine Denkzettelstimme abgegeben hat, aber eigentlich gar nicht dafür gewesen sei. Und dann gab es noch den Gaddafi und und und...
Doch am Ende lässt es sich nicht vom Tisch wischen: Die Schweiz hat in einer der aufsehenerregendsten Abstimmungen der letzten Jahre einen Entschluss gefasst, der noch lange von sich reden machen wird.
Das Unbehagen, dass darin gegenüber dem Islam zum Ausdruck kommt, die latente Furcht, die scheinbar ohne momentan konkrete Bedrohung in der Bevölkerung vorhanden ist, hat viele Quellen. Die Tatsache, dass jene Kantone, die am wenigsten Muslime beherbergen, am stärksten für die Initiative votierten, ist ein Hinweis, dass konkrete Kontakte kaum der Hauptgrund für das Ergebnis sein dürften. Spätestens seit dem schicksalhaften Septembertag, der als 9/11 in das kollektive Bewusstsein eingebrannt ist, gibt es auch im Westen wieder die Ahnung, dass hier noch ein Konflikt herrscht, der seit Jahrhunderten die Weltgeschichte mitbestimmt. Und dies wird einem immer wieder, meist mit unerfreulichen Meldungen, in Erinnerung gerufen. Ob es nun der Karikaturenstreit in Dänemark oder der Terror in Mumbay ist, ob in Holland ein Theo van Gogh von einem Extremisten ermordet wird oder in Deutschland dilettantische Dschihadisten nur aus Unfähigkeit dabei scheitern, einen Intercity zu sprengen, ob in Nigeria Fanatiker Massaker unter Christen anrichten, um die Scharia einzuführen oder der türkische Premier Erdogan laut von einer Islamisierung Europas schwafelt: Die News kommen bei uns an und formen eine öffentliche, kollektive Meinung, ob man nun persönliche Erfahrungen mit dem Islam hat oder nicht.
Dazu kommt noch, dass auch immer wieder lokale Meldungen über das Verbot von Schwimmunterricht für muslimische Mädchen, Zwangsheiraten und ähnliche Hässlichkeiten Schlagzeilen machen und das Wort «Kosovo» fast schon ein Synonym für Migrationsprobleme ist.
Die Minarett-Abstimmung war da ein Ventil... eine Stellvertreterveranstaltung, die vermutlich auch für die Gegner vor allem eine Auseinandersetzung mit den Problemen hätte erzwingen sollen. Dazu wäre es ideal gewesen, wenn sie knapp abgelehnt worden wäre. Denn, es soll sich niemand etwas vormachen: Die Annahme löst kein einziges der echten Probleme, die unsere Gesellschaft mit dem Islam hat, aber es kreiert noch einige mehr, die nun auf diplomatischer Ebene geklärt werden müssen.
So ist dieser Morgen danach einer, der einiges an Kopfweh bringt. Aber es ist auch für die anderen Länder in Europa ein Aufwachruf: Auch dort herrscht zum Teil ein grosses Unbehagen in der Bevölkerung zu diesen Themen, die nun endlich offensiv angegangen werden müssen, wenn die ganze Schose nicht irgendwann explodieren und die Rechtsextreme nicht weiter erstarken soll.
Eine der eher gemässigten Reaktionen aus der islamischen Welt, die wirklich interessant ist, ist das allgemeine Erstaunen darüber, dass ein Volk sich über die Entschlüsse von Regierung und Parlament hinwegsetzten kann. Für uns Schweizer an sich keine grosse Sache, aber offensichtlich eine verblüffende Tatsache, die vielleicht an manchen Orten eine Demokratie-Diskussion in Gang bringen könnte. Das wäre ein wirklich erfreuliches Resultat dieses Abstimmungskaters.