von Patrik Etschmayer / Donnerstag, 3. Dezember 2009
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Das Resultat der Minarett-Initiative ist ein nicht versiegender Quell für Kommentatoren und Kolumnisten (was somit wieder bewiesen wäre). Und bei näherer Betrachtung kommen auch immer mehr Überraschungen zum Vorschein, welche weit verbreitete Annahmen und Behauptungen relativieren, ja mitunter ins Gegenteil verkehren.
So die Vermutung, dass praktisch alle Befürworter ohne nähere Erfahrungen mit Muslimen gestimmt hätten. Doch es zeigte sich, dass zum Beispiel im Aargau in jenen Bezirken mit höherem Anteil von Mohammedanern an der Bevölkerung, der Ja-Stimmen-Anteil grösser war.
Ebenso interessant: Auch viele Junge haben für die Initiative gestimmt und bei Umfragen zu den Gründen werden oft schlechte Erfahrungen mit Kosovaren und Türken genannt. Dass jene vermutlich gar nie in die Moschee gehen, ist unwichtig – die Stimme gilt als Signal gegen diese als homogener Block wahrgenommene Kulturen, die man nun endlich erheben konnte und die auch wahrgenommen wird.
Auch viele sonst links stimmende Frauen legten scheinbar ein ja ein, als Signal gegen die in ihren Augen rückständige Geschlechterrolle der Frau im Islam. Und – nicht zuletzt – stimmten auch viele säkulär und atheistisch denkende Menschen mit «Ja», denen generell religiöse Zurschaustellungen in der Öffentlichkeit - von dumm-dreisten Predigern in der Fussgängerzone bis zu Kirchengeläut nach Mitternacht – ein Grauen sind.
Ohne die Stimmen dieser Gruppen wäre die Mehrheit kaum zustande gekommen und wenn die Vertreter der bibeltreuen EDU glauben, dies wäre ein Votum für das Christentum gewesen, könnten sie ziemlich daneben liegen. Die Front gegen die Minarette ist keineswegs Homogen und die Folgerungen, die im In- und Ausland daraus gezogen werden deshalb ziemlich daneben.
Und ein paar interessante Fragen bleiben offen.
Wie viele hätten wohl für ein generelles Verbot des Neubaus von religiösen Machtsymbolen gestimmt (Kirchtürme, Minarette, Kuppeln und ähnliches)? Im Bekanntenkreis des Autors gibt es nicht wenige, die dafür ein «Ja» eingelegt hätten – mehr als jene, die nur gegen die Minarette stimmten.
Ebenso ist die Frage interessant, ob die Regierung den Auftrag des Volkes – so unangenehm er auch den Vertretern ist – nun wahrnimmt und diesen Entscheid im Ausland klar und eindeutig vertreten wird: Nämlich die Tatsache, dass weder die Ausübung einer Religion noch die Freiheit, sich zu irgend einem wirren Glauben zu bekennen eingeschränkt wird.
Wird der Volksentscheid vor den Europäischen Menschenrechtshof gebracht, sollte man in Betracht ziehen, gleich auch alle Religionen, und deren Vertreter, die Menschenrechte einschränken wollen (freie Wahl der Religion, Ausüben von Homosexualität, Sex ohne Zeugen von Kindern, Austritt aus der Religion, freie Wahl des Ehepartners, etc.) vor den Gerichtshof gebracht werden.
Faszinierend ist auch die nun ausgelöste Debatte über Volksentscheide in ganz Europa und es zeigt sich klar, dass es scheinbar viele Politiker gibt, für die das Volk nur Stimmvieh zu sein hat.
Sicher, ohne die Annahme dieser Initiative wäre unser Leben momentan wesentlich ruhiger und einfacher. Ein kaltes Verbot von Minaretten, wie z.B. in Österreich praktiziert, wo einfach keine Baugenehmigungen erteilt werden, wäre nirgends aufgefallen. Aber vielleicht wird dieser Abstimmungssieg, der durch diese merkwürdigen Bettgefährten von linken Feministinnen, rechten Fundamental-Christen, SVP-Anhängern, Atheisten und verärgerten Jugendlichen zu Stande kam, eine Debatte und eine Lösungssuche bewirken, von der am Ende alle profitieren können und die freiheitliche Gesellschaft in Europa stärken werden. Die bisherige Praktik, zu behaupten, dass es kein Problem gibt, wo keines sein darf, sollte weg geräumt werden, hat doch genau dieses zur gegenwärtigen Situation geführt.