von Patrik Etschmayer / Montag, 3. Januar 2011
Jahresrückblicke kann jeder machen, wenn das Jahr vorbei ist. Rückblicke auf das kommende Jahr sind hingegen wesentlich anspruchsvoller aber auch viel interessanter, selbst wenn der Inhalt mit Vorsicht zu geniessen ist.
Januar: Nach der ersten Zusammenkunft des 112. US-Kongresses, in dem die Republikaner wieder eine Mehrheit haben, gibt Barack Obama bekannt, dass er die Konsequenzen aus der neuen Situation ziehen und mit dem republikanischen Mehrheitsführer Eric Cantor zusammen kommen müsse, um das künftige Vorgehen zu besprechen. Am 20. Januar tritt er an der Seite von Cantor vor die Presse und teilt mit, dass er ab sofort Mitglied der Republikanischen Partei sei. Neue Vizepräsidentin ist Sarah Palin, die ja praktisch die gleiche Kleidergrösse wie Hillary Clinton, aber eine eigene Fernsehshow habe.
Februar: Nachdem am 13. Februar die Initiative «Für den Schutz vor Waffengewalt» knapp abgelehnt wurde, kündet SVP-Präsident Toni Brunner an, dass die SVP eine Vorlage einbringen werde, die jeden echten Schweizer verpflichte, mindestens eine Schusswaffe im Haushalt zu haben, um die Verteidigung der Freiheit sicher zu stellen.
Bei den Oscars räumt das Ballett-Drama «Black Swan» ab, was unzählige Mädchen inspiriert, paranoide Prima-Ballerina werden zu wollen. Oder wie ein Filmkritiker sagte: «Es ist wie Billy Elliot, einfach mit Verfolgungswahn!»
März: Am Autosalon in Genf stellen aufgrund des nicht enden wollenden Winters erstmals auch die Hersteller von Schneemobilen und Pistenbullis aus. Vor allem die Pistenbullis kommen beim Publikum sehr gut an: «Ich hatte bis jetzt einen Porsche Cayenne. Aber dieser Kässbohrer P 260 D ist NOCH höher und NOCH breiter. Den muss ich einfach haben!»
April: Nachdem die ungarische Regierung unter dem konservativen Premier Viktor Orban «Sicherheitslager» für Oppositionspolitiker eingerichtet hat, überprüft die EU-Kommission diese Vorkommnisse und kommt zum Schluss, dass alles in Ordnung ist: «Der Bau der Lager ist ordnungsgemäss EU-weit ausgeschrieben und vergeben worden. Das Material ist aus Belgien geliefert worden und der Architekt stammt aus Deutschland. Wir wären froh, wenn sich alle Länder so genau an die EU-Ausschreibenormen halten würden!»
Mai: Paläontologische Sensation. Nachdem 2010 anhand eines in Sibirien gefundenen Fingerknochens bewiesen wurde, dass es neben Neandertalern und Homo Sapiens noch eine dritte Menschenart gegeben haben muss, wurde in Zentral-China das Skelett eines weiteren Hominiden gefunden. Bemerkenswert an dem Skelett: es hat fast kein Rückgrat. «Zuerst dachten wir, dass entscheidende Knochen fehlen, aber dann haben wir verkümmerte Fragmente davon gefunden – ähnlich den Beckenknochen vom Blauwal. Bei einem Vergleich der aus den Knochen isolierten DNS fanden wir auf der ganzen Welt Hinweise auf verwandtschaftliche Verbindungen zu diesem Hominiden... erstaunlicherweise vor allem unter Parlamentariern verschiedenster Länder.»
Juni: Auf einer in Cupertino einberufenen Präsentation stellt Steve Jobs eine Sensation vor. Allerdings handelt es sich nicht um das iPhone 5, das fast als Nebensächlichkeit abgehandelt wird, sondern um das neue iMind-Neuroimplantat. Jobs: «Mit iMind wird ihr Denken und ihre Gedankenwelt so sauber und intuitiv wie ihr iPhone und ihr iPad. Sie müssen auch keine Ideen mehr selbst haben: diese beziehen Sie über einen zentralen 'Thought-Store', so dass Sie auch nie mehr unter schmutzigen Gedanken zu leiden haben – dafür stehen wir ein! iMind bietet WiFi, LTE und 4G-Konnektivität und schliesst MindTime Gedankenkommunikation mit ein. Das Beste: die Implantation wird ab Juli in jedem Apple-Store vorgenommen!»
Der G8-Gipfel in Deauville wird ein voller Erfolg: Nicolas Sarkozy erklärt die Weltwirtschaftskrise per Dekret für beendet. Sarah Palin, die Barack Obama begleitet, lädt Dimitri Medwedev und Vladimir Putin zur Eisbärenjagd nach Alaska ein und verspricht diesen, dass sie von dort aus sogar bis zu den verdammten Russen rüber sehen können. China gibt bekannt, dass Griechenland per Ende Jahr aufgekauft und in einen Freizeitpark umgebaut werde.
Juli: Im Rahmen eines Aktionstag gegen Doping wird das ganze Tour de France-Startefeld festgenommen. Allerdings werden die Urinproben durcheinander gebracht, so dass alle Fahrer wieder freigelassen werden müssen. Nicolas Sarkozy tobt und lässt die Staatsbürgerschaft des beschuldigten Doping-Probennehmers aberkennen.
August: Dass der Ramadan am 1. August beginnt, ist für Ulrich Schlüer «Der Beweis, dass die Islamisierung der Schweiz unaufhaltsam voranschreitet!»
September: Papst Benedikt besucht Deutschland. Die «Bild»-Zeitung ist begeistert: «Paparazzi fetzt!» und «Super-Razzi entzückt Berlin!» sind nur zwei der Schlagzeilen. Auf dem Rückweg nach Rom macht der Papst in Budapest Station, wo er Viktor Orban zum König von Ungarn krönt. Orban schielt scheinbar nun noch auf die österreichische Kaiserkrone.
Oktober: Die SVP erringt bei den Nationalratswahlen den erwarteten Sieg, erringen 29.2% der Stimmen und gewinnen 0.3% dazu. SVP-Präsident Toni Brunner meint: «Mit einem Drittel der Stimmen haben wir wohl Anrecht auf einen Drittel der Bundesratssitze!» Eveline Widmer Schlumpf, deren BDP unter 10% erreichte, will hingegen nicht auf ihren Bundesratssitz verzichten: «Wenn man genau rechnet, kann man sehr wohl ein Anrecht der BDP auf einen Bundesratssitz erkennen. Aber das ist eben höhere Mathematik!» Die CVP, die auch nur noch so viele Stimmen hat, stimmt dieser Aussage vehement zu.
November: Spanien, Irland, Italien und Portugal werden aus dem Euro ausgeschlossen und bekommen als gemeinsame Währung den sogenannten «Softy» Griechenland, das eigentlich auch dafür in Frage gekommen wären, führt bereits vorzeitig den Yüan ein. Streiks der öffentlichen Angestellten Griechenlands werden von einer Expeditions-Armee Chinas niedergeschlagen.
Dezember: Bei den Gesamterneuerungswahlen des Bundesrates kommt es zum Eklat. Nach diversen Streitereien im Vorfeld wird kein einziger Bundesrat mit einer Mehrheit und verschiedenste wilde Kandidaten, von denen eigentlich kein einziger weiter herum bekannt ist, werden nach tumultartigen Wahlen in die Exekutive gewählt. Ein Analyst, der anonym bleiben will, weil er sonst Ärger mit seinem Verleger bekommt, meint: «Aber seien wir ehrlich, Wurst wer drin ist, es kann eigentlich nur besser werden, im neuen Jahr.»