Patrik Etschmayer / Freitag, 21. Oktober 2011
Die Schweiz - wir haben es nun eben wieder gehört - braucht Streubomben. Dies ist zumindest die Ansicht der Mehrheit der Sicherheitskommission des Nationalrats und SVP-Exponent Ulrich Schlüer befand ganz klar: «Wir brauchen Streumunition».
Denn, so der Zürcher Nationalrat weiter: «Sie ist ein hocheffizientes Verteidigungsmittel. Und es ist unseres Erachtens nicht legitim, den Angreifer gegenüber dem Verteidiger zu bevorzugen.» Und bis zu einem gewissen Punkt stimmt ja sogar das, was Schlüer sagt. Streubomben sind wirklich sehr effizient wenn es um das massakrieren der Gegner geht.
Doch der Haken ist nicht der, was WÄHREND dem geplanten Einsatz passiert - das Problem kommt danach. Besonders wenn Schlüer von einer Verteidigungswaffe spricht.
Die Blindgängerrate von Streumunition beträgt zwischen 5 und 30%. Geht man von einem Mittelwert von 17.5% aus, würde dies im angesicht von 200'000 Schweizer Streubomben immerhin 35'000 tödliche Sprengkörper bedeuten, welche nach einem hypothetischen Einsatz in der Schweiz liegen bleiben würden, denn Herr Schlüer hat ja betont, dass dies Verteidigungswaffen seien, sprich Waffen, die im eigenen Land gegen die Angreifer eingesetzt würden.
Es würden also ganze Landstriche in Minenfelder verwandelt, die auch noch nach einem Krieg für Jahre eine grosse Gefährdung für die Bevölkerung darstellen würde. Was das für Folgen wären, zeigt sich an diversen einstigen und gegenwärtigen Konfliktherden auf dieser Welt. Im Jahr nach dem Kosovokrieg zum Beispiel kamen dort alleine 50 Menschen ums Leben und über Hundert wurden verletzt.
Wenn man einkalkuliert, dass dort etwa 50% mehr Streumunition als in der Schweiz vorhanden ist, eingesetzt wurde, könnten wir hier also im ersten Jahr nach dem Konflikt mit etwa 33 Opfern, vor allem Kindern, die glauben es handle sich um Spielzeug und Bauern, die auf den Feldern arbeiten, rechnen. Die Alternative dazu wäre das weiträumig Sperren der Zonen, wo Streumunition zum Einsatz kam und das mühsame, teure und riskante Suchen und Entschärfen der Bomblets, wie die kleinen Einzelmunitionen auch genannt werden.
Das Argument für die Clustermunition aus militärischer Sicht ist klar und auch logisch nachvollziehbar: Es lassen sich schnell und effizient auch versteckte und geschützte Ziele treffen, solange man nur halbwegs weiss, wo diese sind. Aber man darf sich ernsthaft fragen, inwieweit eine solche Waffe von der eigenen Armee im eigenen Land eingesetzt werden soll und darf (geht man davon aus, dass einen nur das Wohlergehen des eigenen Volkes etwas kümmert). Roland Borers Bonus-Argument, dass man so auch noch Micheline Calmy-Rey zum Abgang eine Ohrfeige gegeben habe, ist hoffentlich nicht in die Entscheidungsfindung eingeflossen.
Die Güterabwägung der SVP, FDP und CVP-Vertreter in der Kommission ist jedenfalls klar: Was nach einem Konflikt an Schäden stattfindet ist egal, selbst wenn es jenen schaden könnte, die verteidigt werden sollen. Dies sollten jene Wähler, die noch nicht abgestimmt haben, allenfalls bedenken. Denn wenn Schweizer Politiker willens sind, Schweizer zu massakrieren, sollte man sich schon überlegen, ob diese auch ins Parlament gehören.