Patrik Etschmayer / Dienstag, 15. Juli 2014
Sei einiger Zeit etabliert sich eine Art Ersatz-Religion in unserem Kulturkreis, ein Kult, der sich aufklärerisch gibt, in Tat und Wahrheit aber mittelalterlich und entfernt von der Realität ist und dabei das Leben von vielen Menschen gefährdet und scheinbar darauf abzielt, den Markt für Kindersärge wieder zu beleben.
Anhängern der sogenannten «Impfskeptiker» empfehle ich, hier nicht weiter zu lesen, denn es hat sich gezeigt, dass diese sich durch rationale Argumente nicht umstimmen oder auch nur beeinflussen lassen. Für andere Leser ist dies hingegen schon ein erster Hinweis auf die kultisch-irrationale Natur dieser - man kann es nicht anders beschreiben - Anti-Immunologie-Religion. Die konsequente Verweigerung, irgendwelche Argumente, die im Widerspruch zum eigenen Glaubensgebäude stehen, zu akzeptieren, ist in der Regel ja ein Zeichen für religiösen Fundamentalismus und die Impfgegner können da mit den Besten mit halten.
Keine Statistik über die Häufigkeit von Infektionskrankheiten und deren Reduktion, ja beinahe Ausrottung, nach Einführung von Impfungen kann Impfgegner überzeugen. Stattdessen wird auf andere Faktoren, die bei den Ansteckungswegen von vielen Kinderkrankheiten nur eine untergeordnete Rolle spielen, verwiesen: vor allem die Fortschritte bei der Hygiene werden als Ursache angeführt. Doch diese spielt vor allem bei Krankheiten wie Cholera oder Typhus eine entscheidende Rolle, weshalb diese auch in der dritten Welt, und überall, wo kein sauberes Trinkwasser vorhanden ist, ausbrechen. Im Gegensatz dazu ist die Kinderlähmung fast überall - auch im ländlichen Indien - ausgerottet und kommt nur noch in Afghanistan und Pakistan vor, wo religiöse Fundamentalisten die Impfkampagnen der WHO behindern und Teils verunmöglichen - mithin Brüder im Geiste der hiesigen Impfgegner.
Praktisch alle Argumente von Impfgegnern basieren entweder auf Lügen (die Behauptung, das Impfungen Autismus verursachen, hat ihren Ursprung in einem versuchten, gross angelegten Versicherungsbetrug), Anekdoten («meine Kinder waren nicht geimpft und viiiiieeeellll gesünder als alle anderen», «meine Urgrossmutter fiel als Baby nach der Geburt in einen Kohleeimer und war trotzdem fast nie krank und wurde 94!») und schlichter, absoluter Inkompetenz, was Medizin und Statistiken angeht.
So wird immer wieder darauf hin gewiesen, dass auch Geimpfte von den betreffenden Krankheiten erwischt würden, und sogar mehr als ungeimpfte. In absoluten Zahlen mag das ja stimmen, aber wenn bei einer Durchimpfungsrate von 95% von 100 Menschen 5 Geimpfte und 2 Ungeimpfte erkranken, bedeutet dies nicht, dass geimpfte doppelt so Häufig erkranken, sondern dass von den nicht geimpften 40% und von den geimpften 5.3% krank werden, diese als fast 8mal weniger Risiko einer Erkrankung haben.
Ebenfalls werden die Kinderkrankheiten und Krankheiten von den Impfgegner geradezu romantisiert und zu «wichtigen Helfern» in der Entwicklung eines Kindes hoch stilisiert. Masern zum Beispiel gilt in diesen Kreisen als «harmlos», auch wenn diese zu Hirnhaut- und Lungenentzündung führen kann. Geht man von einer Sterblichkeitsrate von 1/1000 für hiesige Verhältnisse aus (in Entwicklungsländern steigt diese auf bis 25%), so würde dies bei ca. 80'000 Kindern pro Geburtsjahrgang 80 Kindern in der Schweiz entsprechen. Eine schöne «Entwicklungshilfe» wäre das für diese Kinder. Und jene, die die Komplikationen überleben, könnten lebenslange Defizite durch diese erleiden.
Das bringt uns noch zu einem weiteren Detail in der Welt der Impfgegner: deren Überzeugung, dass die Pharmalobby hinter den Impfkampagnen steht. Dabei ist es völlig klar: an epidemischen Erkrankungen, die Monate dauernde, stationäre Behandlungen erfordern, würde die Pharmaindustrie wesentlich besser verdienen. Nicht impfen und dafür viele Kranke haben, wäre das definitiv bessere Geschäft.
Doch wie gesagt, Logik ist bei den Impfgegnern nicht vorhanden und wird jeweils durch die Unterstellung ersetzt, dass alle, die Gegenargumente vorbringen von der Pharmalobby geschmiert oder Gehirn gewaschen wurden und dass alle Mediziner (mit Ausnahme jener wenigen, die auf dem Alternativzug aufgesprungen sind und fröhlich, aber sehr lohnend Quacksalberei betreiben) korrupt und/oder inkompetent seien.
Mit dieser Methode ist es natürlich möglich, sich jeder halbwegs erwachsenen Diskussion zu entziehen, wobei auch den Medien ein Vorwurf zu machen ist, da Impfgegnern und ihren Pseudoargumenten bei Diskussionen meistens gleichviel Raum und Zeit wie den Befürwortern eingeräumt wird, obwohl sie keinen faktischen Boden haben, von dem aus sie argumentieren könnten. Es ist in etwa so, als würde einer Gruppe, welche die Feen und Trolle in den Schweizer Hochmooren beschützen will, gleichberechtigte Mitsprache beim Landschaftsschutz gewährt.
Medizin, Immunologie und Impfschutz sind wissenschaftliche Bereiche, in denen Meinung und Anekdoten bei der Findung von Massnahmen zum Gesundheitsschutz nichts, statistisch erhärtete Zahlen, vielfach überprüfte und wiederholte Studien und deren Resultate, hingegen alles zählen. Wenn daher für Kinder in Krippen - wie gerade in Zürich - aus diesen Gründen eine Impfpflicht gefordert wird, findet dies auf Grund der geprüften Daten statt, welche die Realität wie sie eben ist, abbildet. Und da ist es Sch...egal wie in diesem Zusammenhang die Befindlichkeit von Leuten ist, die ihre medizinische Wirklichkeit in irgendwelchen Facebook-Gruppen und der 'Germanischen Neuen Medizin' zusammenbasteln, weil das ihren verwirrten Gefühlen am besten entspricht.
Denn eines ist sicher: würde man jenen Menschen nachgeben, würde in Europa die Herstellung von Kindersärgen wieder ein echt lohnendes Business werden.